"Explodierende Pottwale" ist ein Stück über die Unmöglichkeit abzuschalten, ohne sofort in innere Gärung überzugehen. Ein Versuch über freiwillige und unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Realitäts- und Identitätsverlust entstehen ausgerechnet dort, wo man sich sammeln, auf die eigene Geschichte besinnen und für eine neue Zukunft stärken wollte.
Ein Ehepaar zieht sich ins Haus der Urgroßeltern am Stadtrand zurück, um sich zu erholen. Doch der Besuch eines ehrgeizigen Cousins und dessen Frau stellt die Ruhe sofort in Frage. Nicht nur die Vergangenheit des alten Familiensitzes, auch die Verkündigungen des Cousins über die neue Weltmacht China, stürzen den Ehemann zunehmend in eine paranoide Wahrnehmung, in der sich bloße Verdächtigungen und reale Bedrohungen nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Immer weniger gelingt es, eigenen Neid, Minderwertigkeitsgefühle, die Unfruchtbarkeit der Gattin und weltpolitische Entwicklungen getrennt zu denken. Die Handlung folgt radikal der subjektiven Perspektive einer einzelnen Figur. Zunehmend verzerrt sich das private Selbstwertgefühl des Ehemannes. So werden aus den Besuchern bald feindliche Verbündete der eigenen Frau. Und selbst der gutmütige Freund, der im Stau stecken geblieben ist und deshalb niemals auftritt, verwandelt sich in einen chinesischen Usurpator, der über Karriere und soziales Ansehen entscheidet. So gipfelt der erste Teil des Wochenendes in einer eingebildeten Hinrichtung. Im zweiten Teil folgt der Versuch, als jemand ganz anderer die Kontrolle über das alte Leben zurück zu erlangen. Eine rettende Metamorphose als Tagtraum. Aber schon wieder ist die Paranoia schneller.
Die wahre Begebenheit eines in Taipeh auf offener Straße explodierten Pottwals, der zur Autopsie gefahren werden sollte, dient dem Stück als Leitmotiv für die Sprengkraft, die in gestrandeten Lebewesen schlummert.
"Lukas Holliger wagt [...] die größte Geschichte. [...] - alles gärt unter der bürgerlichen Oberfläche, bis die Lebensblase platzt. Holliger dreht die Geschichte ins Absurde, und Regisseurin Schirin Kohdadadian beginnt scheinbar harmlos im Durcheinander billigen Gartengestühls, um dann immer surrealer zu werden." (Theater der Zeit, 09/2005)
"Das Stück hat offensichtliche Qualität. Fast erschreckend schön [...], wie Lukas Holliger sich auf der Höhe der Zeit literarisch, dramatisch bewegt." (Philip Tiedemann, Regisseur)