fünfter sein

Von Ernst Jandl

Bearbeitet von Anna Wenzel

ein Theaterstück mit Musik und Liedern frei nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Ernst Jandl und Norman Junge
Ab 4 Jahren
5 D/H Ad libitum

Warten. Warten. Warten. So ist das doch dauernd: Nase zerbrochen, Flügel geknickt, Fuß abgefallen, Herz zerschnitten, Arm verrutscht, Seele zerrissen, Auge abgegangen, Bein abgerissen, Hand verloren, Mensch kaputt. Und kein Schwein guckt. Keiner hilft einem. Keine Tür öffnet sich, keiner erbarmt sich und schraubt alles wieder zusammen. Ein heiler Arm, ein geflicktes Herz, eine frisch zusammengeklebte Seele, eine reparierte Hand, ein wieder angeleimter Fuß - schöne Sache, kommt im Leben aber praktisch nicht vor. Hier sitzen sie nun alle fünf auf ihren Stühlchen: preußisches Einerlei, hartes Gestühl, Deckenlampe, Glühbirne, Tür, Stille, Leere, Nichts. Nur Warten. Warten. Warten. Kommt man hier noch lebend raus? Ist das schon alles, das Leben mit schmerzenden Gliedern und Verletzungen. Die Tür zu. Das Ende? Jeder schaut ausdruckslos vor sich hin, nur der Pinguin blickt zur Arztzimmertür.
Unter der Türritze, Mamma mia, ein warmes Licht. Doch nichts geschieht. Da beginnt das Patientenkollektiv sich gegenseitig verwundert zu betrachten, und Pingu fängt an zu erzählen, wie er seine beiden Flügel verloren hat. Er muss etwas gegen seine Angst vor dem, was da kommen mag, unternehmen.

"Das Verblüffendste am Stück und der rundum geglückten Aufführung: Der Kern von Jandls Gedicht wird nicht nur erhalten, er wird sprachvirtuos und durch genaue, liebevolle Personenführung, die jede noch so kleine Geste wichtig macht, herausgeschält, sicht- und fühlbar. Erst einmal ist dies: Warten. Kinder kennen das: Warten auf den Papa die Mama, das Essen; dass das Telefon klingelt oder eben beim Arzt im Wartezimmer. [...]
Ein bisschen erinnern die fünf an Estragon und Wladimir, die auf Godot warten. Und wie die beiden Landstreicher (und wie Kinder auch!) vertreiben sie sich spielend die Zeit. Aber im Gegensatz zu den Beckett'schen Figuren wird ihre Hoffnungslosigkeit nicht größer, weil sie sehen, dass die anderen Patienten heil und fröhlich aus dem Sprechzimmer herauskommen. [...] Ernst Jandl, würde er noch leben, hätte auf all das vermutlich mit einem seiner Gedichte geantwortet: 'zauber die haft ganz/ zauber die haft'." (Theater der Zeit, 04/2003)

UA am 07.02.2003