Rebecca flieht vor ihren Wurzeln, vor der geistigen Beschränkung ihrer Kindheit in fremde Länder. Je weiter und abenteuerlicher, desto besser. In der Ferne versucht sie, die Enge der Schweizer Heimat hinter sich zu lassen. Doch wie weit muss man fliehen, um der eigenen Identität zu entkommen? Rebecca sieht nicht, dass ihre zwanghafte Suche nach einem anderen Leben ihr ebenso die Freiheit nimmt wie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit ihrer Kindheit es getan hat. Als sie nach langer Zeit wieder auf ihren Bruder Daniel trifft, prallen zwei Weltsichten aufeinander: Denn Daniel lebt in und für seine Heimat. Er strebt nach einem Leben wie aus einem Schweizer Bilderbuch. Niemals würde er dieses Land verlassen wollen. Die Enge der Wanderschuhe drückt ihn schon lange nicht mehr. Er hat die Sehnsucht seiner Kindheit, die Weltmeere zu umsegeln, ganz einfach vergessen. Schließlich gibt es kein Meer in der Schweiz. Das hat ihm der Vater früh klar gemacht und ihm das Träumen ausgetrieben.
Holliger formt mit "Letzte Worte eines Schweizers mit Kreuz" eine Parabel über zwei polarisierende Standpunkte gegenüber dem Umgang mit Heimat, Erziehung und kultureller Sozialisation, derer sich niemand ganz entziehen kann.
"Die 'Letzten Worte eines Schweizers mit Kreuz' verknüpfen ein tragisches Familienkammerspiel mit der komischen Entwicklung, die das helvetische Selbstbewusstsein im Zeichen des neuen Ethno-Looks genommen hat. Im gerafften Fazit wirkt das konstruiert. Die kunstvolle Verunsicherungsstrategie des Textes und die zurückhaltende Inszenierung aber sind das Gegengift, das diese Uraufführung zu einem schönen Erfolg macht." (Tages-Anzeiger, 12.05.03)
"Lukas Holliger hat [...] nicht nur das doppelte Klischee vom hysterischen Fernweh und Krampfhaft-anders-sein-Wollen einerseits und der Verklärung einer postkartenfrischen Schweiz, die zum Wandern und Daheimbleiben einlädt, andererseits bemüht. Der junge Basler Dramatiker hat im Rahmen des Förderprojektes Masterclass MC6 ein Stück entwickelt, in dem raffiniert Projektionen, Wunschbilder, gefärbte Erinnerungen und verzweifelt beschworene Fantasmen montiert sind." (Berner Zeitung, 12.05.03)