Der Himmel ist leer

(Trincea)

Von Marco Baliani

Übersetzt von Brigitte Korn-Wimmer

1 H
Originalsprache: Italienisch

Dieses Stück gleicht einem Kunstwerk, in dessen Inneres die Kriegsgeschichte des 20. Jahrhunderts und menschliche Einzelschicksale aller möglichen Kriege eingelassen sind. Sein Äußeres gerinnt zum Memento Mori.
Wir erleben den Körper eines Soldaten, der keiner bestimmten Nationalität angehört, in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges, dem sinnbildlichsten Ort dieses weltweiten Konfliktes, und einen Ausschnitt seines geistigen Verfalls beim Versuch, uns das Unsagbare dieses Krieges vor Augen zu führen: den Wahnsinn, die Angst, den Identitätsverlust, die Verwandlung menschlicher Wesen in einzelne Getriebeteile einer ungeheuren Todes-Produktionsmaschinerie. Alles ist in der sich steigernden Ausweglosigkeit aufgehoben, in der alten Erkenntnis, dass Krieg vor allem die Erfahrung des einfachen Kämpfers ist, nicht mehr zu sein als ein Rädchen im längst kaputten Getriebe. Überdies sehen wir das Verlangen nach Nahrung, Wasser, Menschlichkeit und menschlichen Beziehungen. Für den Soldaten im Schützengraben verdichtet sich die Zeit zu purer Gegenwart, zu einem Stillstand im schlichten, alltäglichen Überlebenskampf, bei dem verrückte Gesten normal geworden sind, sinnlose Aktionen zu Ende geführt werden, ohne Hoffnung auf Veränderung. Man spürt förmlich das Ticken ablaufender Lebenszeit.
Dieser Soldat ist ein erzählender Körper, das tragische Bollwerk eines verzweifelten Überlebensinstinktes, doch es wird uns nicht nur ein Mann vor Augen geführt, sondern verschiedene Augenblicke des Lebens „gewöhnlicher“ Männer unter den unmenschlichen Bedingungen jedweden Krieges. Die rasante Dynamik des Erzählens kann nicht mehr in einem zeitlich kontinuierlichen, linearen Ablauf erfolgen, der von einem Anfang und einem Ende umrahmt wird, sondern sie wird gebrochen, daran gehindert ihren Lauf zu nehmen. Die plötzlichen Leerstellen der Seele sind in Worten weder zu vollenden noch aufzufüllen, das Leben wird zu einem unaufhaltsamen Fluss von Bruchstücken, so wie auch die Zeit bruchstückhaft für denjenigen erscheint, der in jedem Augenblick der Zufälligkeit des unnützen und grausamen Sterbens ausgesetzt ist. Der Erste Weltkrieg stellt in großem Umfang eine Form der totalen Unterwerfung des Menschen auf die Probe, seine Reduzierung auf einen Roboter, eine Marionette, eine Sache.
Ein unerbittliches, grausames, von Zeit zu Zeit groteskes Stück, eine Reise in ein dunkles Kapitel unserer modernen Weltgeschichte, bei der man Empathie und ein großes Verständnis für den simplen Wunsch, nicht sterben zu wollen, entwickelt.

UA am 10.06.2014