Bereits 431 vor Christus hat der griechische Dramatiker Euripides als Erster den Stoff zu einer Tragödie geformt, lange bevor er immer wieder im Sprechtheater, in Film und Oper – der jeweiligen Zeit angepasst – variiert wurde: Die um Naturkräfte wissende Medea hilft ihrem Geliebten Jason beim Raub des Goldenen Vlieses, einem magischen Widderfell, mithilfe dessen er die rechtmäßige Herrschaft über Thessalien wiedergewinnen kann. Doch damit beginnt ein Teufelskreis: Sie töten den eigenen Bruder, der die Flucht nach Korinth vereiteln will. Als Fremde, als Ausländerin, die sich anders kleidet, anders aussieht, wird sie im Exil, der Heimat ihres Mannes, zur geschmähten Asylantin, soll ihre jungen Söhne in der Obhut der Rivalin Kreusa zurück lassen; tötet schließlich die Kinder, um sie vor Leid zu bewahren und so mitleidlos zu werden wie ihr Vater Jason.
Medea: die Tochter, Schwester, Geliebte, Ehefrau, Opfer. Medea: die Mörderin. Mama Medea. „Woher nahm sie die grausame Entschlossenheit und den Mumm, ihre Hände ins Blut der eigenen Kinder zu tauchen?“, fragt die Erzählerin am Ende von Theo Fransz’ Bearbeitung der Euripides-Tragödie. Die Motivation Medeas, ihre eigenen Kinder zu ermorden, wurde viel interpretiert. Fransz stellt die Frau Medea in den Mittelpunkt, lässt sie gemeinsam mit der Amme die Gegenwart ihres Lebens umschreiben. Wie sie verlassen wurde, gedemütigt, verstoßen. Das Besondere an Fransz’ Fassung ist, dass er die beiden Kinder auftreten und die Geschichte ihrer Eltern im Rückblick erzählen lässt. Wie sie sich trafen, wie ihr Vater die Stiere und die eisernen Männer mit Hilfe von Mama Medea besiegte und zusammen mit ihr und dem Vlies in seine Heimat zurückkehrte. Dadurch, dass der Autor den Kindern so viel Raum gibt, lässt Fransz nicht nur die Vergangenheit aufleben, sondern webt in den tragischen Mythos ein. Letzten Endes zeichnet er das Bild einer Frau nach, die so stark liebte und so grausam fallen gelassen wurde, dass sie sich nun auf furchtbare Art rächt. Im Endeffekt geht es in Fransz’ Bearbeitung um Liebe, Liebe und immer wieder Liebe. Eines sollte trotzdem klar sein im Umgang mit dieser Frau: „Don’t fok with Medea.“