„Ich habe den Eindruck, in eine Parallelwelt geglitten zu sein, wo ich langsam zu einem Spiegel werde.“ Die unter diesem Titel gesammelten Texte sind theatralische Einheiten, die man wie Bausteine zusammensetzen kann. Es wird keine Reihenfolge vom Autor festgeschrieben. Diese Texte sind wie die Splitter eines zerbrochenen Spiegels, der sich früher in einem perfekten Zustand befand. Es spiegelte den Himmel wider, die Welt, die menschliche Seele. Irgendwann, man weiß weder wann noch wieso, gab es dann eine Explosion. Die Einzelstücke, über die wir nun verfügen, sind zweifelsohne ein Teil der Ursprungsmaterie. Und durch diese Zugehörigkeit zur Ursprungsmaterie entsteht ihre Einheit, ihr Parfum, die Identität ihrer Atmosphäre. Ansonsten besteht das Spiel in dem Versuch, das ursprüngliche Objekt zu rekonstituieren. Was sich wiederum als unmöglich erweist, zumal keiner den ursprünglichen Spiegel je erblickt hat, man weiß nicht, wie er aussah. Und womöglich fehlen einige Teile davon … Nichtsdestotrotz erweist sich das Spiel als faszinierend, denn jedes Mal, wenn wir die zur Verfügung stehenden Bausteine zusammensetzen, gelingt es uns immerhin etwas zu schaffen … Einen Spiegel, der niemals perfekt ist, aber eine Menge Dinge widerspiegelt … Dieses Spiel kennt kein Ende. Es könnte den Schauspielern sogar bei jeder Aufführung erlauben, nach einer anderen Geschichte, nach einem anderen Spiegel zu suchen … Mit diesen Monologen und Dialogen, die dazu einladen das Ganze zu bauen, beabsichtigte der Autor dem Regisseur einen einzigen Zwang aufzuerlegen: die absolute Freiheit.
Auf der Bühne stehen zwei junge Leute zwischen Kindheit und Erwachsensein. Sie raufen und zanken. Die ewigen Rivalen provozieren sich gegenseitig, wollen sich beweisen. Dieses Spiel, der oft surreale, unmögliche Wettstreit, offenbart jedoch die Notwendigkeit grundlegender Erfahrungen: die Zerbrechlichkeit menschlichen Wesens, das Verlangen nach Sicherheit und Liebe. Wie in allen großen Freundschaftsgeschichten braucht einer den anderen. Im unerbittlichen und ironischen Aufeinandertreffen suchen beide den wahren und aufrechten Austausch, der das Wesen jedes Einzelnen freilegt. "Um mehr Mut und Feigheit, Gewinnen und Verlieren, Gewalt und Zuneigung geht es. Sie kämpfen, dass die Fetzen fliegen und halten doch zusammen wie Pech und Schwefel. Als tapferer Friedhofsspuk, Indianer und Sheriff, Fußball-Hooligans und sportliche Gegner versuchen sie sich zu beweisen. Das geht meistens schief und tut richtig weh. Tino wird vor dem Stadion zusammengeschlagen, Rinos Hund muss dran glauben: Fairness und imaginiertes Heldentum vertragen sich halt nicht. Aber wenn's dann endgültig tödlich zu werden droht, reicht man(n) sich doch die Hand. Diese herzliche Feindschaft ist lustig und bedrohlich zugleich - eine jugendliche Männerfreundschaft mit all ihren Tücken." (General Anzeiger Bonn, 22.01.01)
„Gemeinsame Erinnerungen sind inkompatibel; sie haben keine Konsistenz; sie sind meist Quelle für Konflikte, Missverständnisse.“ Thomas Deprycks Stück ruft mal zart, mal ordinär, humorvoll und schmerzhaft, die Fehlkommunikation von Menschen, Arten, Liebenden und die Zwiegespräche mit dem eigenen Selbst in Erinnerung. In dem polyphon angelegten Materialstück werden multiperspektivisch Ansichten und Erinnerungen entworfen, die das Sein, die Liebe, Sexualität, Wünsche und Träume, die Norm, Angst, den Anfang und das Ende hinterfragen. Diese Fragen werden nicht beantwortet. Episoden- und bruchstückhaft verbinden sich die Erzählungen von vier namenlosen Sprechern, dynamisch aber distanziert, die nicht nur aus dem eigenen Leben, sondern ebenfalls von dem anderer Personen, Fremder, keiner bestimmt definierten und damit aus dem Leben aller Personen, berichten. Repräsentativ hierfür stehen Bloody und Ikarus, deren Liebesgeschichte so spezifisch und gleichzeitig so allgemeingültig erscheint wie das Leben selbst: Anfang, kurzes Glück und das Ende. Die ständige Angst vor dem Verlust scheint zwar omnipräsent, wandelt sich aber zum Abschluss des Stückes in die vage Hoffnung „einander endlich [zu] lieben.“
„Mario und Maxi bringen ein Paket mit. Hier muss es sein. In diesem Raum. Bei diesen Kindern. Aber wo hinstellen? Wo ist oben, wo unten? Mario weiß alles. Und ein bisschen besser als Maxi, denkt Maxi. Was kann man tun?. Was will man tun? Was ist zu tun? Und … ist das genug? Wäre es nicht schön, mal aus der Reihe zu tanzen, aus dem Rahmen zu fallen, fragt sich Maxi insgeheim. Dürfen sie nicht mal einen kurzen Blick riskieren und schauen, was drin ist? Zwei Schauspieler verleihen den nicht allzu hellen Paketzustellern liebevoll Gestalt. Mit absurdem Slapstick und herrlicher Live-Musik nehmen sie das Publikum mit in ihr heiteres Verwirrspiel. Glück im Doppelpack ist eine urkomische Party rund um die Fragen, mit denen sich jedes Kind täglich auseinandersetzen muss: Was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt und warum?“ (www.sonnevanck.nl) „Dieses urkomische Paket bringt alle zum Nachdenken und Lachen. Emerett und Sjon wechseln wunderbar zwischen ekelhafter Verzweiflung, enormer Wut und schließlich großer Freude.“ (Theaterkrant – Kritikerauswahl, 05.10.20)
Eine große, anklagende Komödie gegen alle, die (nicht nur 1931) an der Macht und der Herrschaft Anteil hatten und haben. Eine Persiflage auf politisch unruhige Zeiten, in denen sich demokratische Werte weltweit im Sinkflug befinden, zugleich die Vorwegnahme der nationalsozialistischen Diktatur. Das Original, Alle Wetter, ist Mühsams letztes, bis heute unaufgeführtes Bühnenwerk. Diplomingenieur Niedermayer hat ein Mittel erfunden, Wind und Wetter, Sonne und Regen zu regulieren. Gemeinsam mit seiner Genossenschaft verwaltet er dieses Mittel, errichtet einen Wetterturm, der zunächst zum Segen der Region, dann der Welt wird. Aber fünf Jahre nach der Grundsteinlegung meint er, sich durch seinen wissenschaftlichen Fanatismus zum Menschheitsretter aufschwingen zu müssen. Irgendwie glaubt er, das Wetter zu beherrschen, wie Prometheus das Feuer. Gleichzeitig bemächtigen sich die Herrschenden seines Turmes. Überall machen die Parasiten sich breit. Kirche, Regierung, Bürokratie. Und der sich maßlos überschätzende Niedermayer begeht einen folgenschweren Fehler, indem er einen Klimakollaps verursacht, weil er an einem Kriegsschauplatz am Rande Europas das Wetter manipulieren wollte. Für dieses Vergehen sitzt er nun in seinem Wetterturm ein. Seine guten Absichten haben sich in eine Tyrannis umgekehrt, in eine Diktatur der Gutmeinenden, denn wenn anderen seine Erfindung, ja seine Gabe in die Hände fällt, kann er nicht mehr kontrollieren, was daraus entsteht. Und Niedermayer hat keineswegs nur Unrecht: Wer sich da aller seine Entdeckung unter den Nagel reißen will, und das nicht bloß zu guten Zwecken! Der Ingenieur steht für technische Errungenschaften, deren Ergebnis bei ihm menschliche Hybris und bei Frau Barde die Mystifizierung säkularer Ideen wie Nation, Rasse, Klasse und Reich sind. Dritter im Bunde ist der überirdische Wettergott, der zugleich den realen Gefängniswärter spielt. Während sich die Witterungsverhältnisse zu einer wahren Bedrohung auswachsen, verhandelt das ungleiche Trio wichtige Fragen über den gegenwärtigen und zukünftigen Zustand der Welt, sowohl politisch als auch klimatisch. Dabei nähern sich der linkslastige Niedermayer und Frau Barde von der Arbeiter-Rassen-Partei zwischendurch auf unheilvolle Weise einander an. Das Ende ist visionär: „Tobend, wirbelnd stürzt die Zeit / in die Gruft. – Das Leben schreit!“
Janek ist ein leidenschaftlicher Schwimmer. Sein Opa trainiert ihn. Beim nächsten Wettkampf wird er zum ersten Mal starten. Doch während Janek immer besser schwimmt, wird Opa immer komischer. Erst zieht er bei Janek und dessen Mutter ein, dann liest er die Zeitung von gestern - und schließlich will er im Wohnzimmer ein Feuer anzünden. Petra Wüllenweber erzählt die Geschichte eines Jungen, der miterleben muss, wie sein geliebter Opa immer unselbständiger und unzurechnungsfähiger wird, wie er irgendwann nicht einmal mehr sein eigenes Spiegelbild erkennt. Denn Janeks Opa leidet unter Alzheimer. Einfühlsam schildert "Am Horizont" die Not der Angehörigen, ihre Verzweiflung und ihre Überforderung. Von einem Tag auf den anderen ist Janek der, der auf seinen Opa aufpassen muss, der seinen Zustand mit allen Mitteln zu verbergen versucht. Weil er sich für ihn und seine immer krasseren Aussetzer schämt. Und weil er ihn liebt und verhindern will, dass er in ein Heim muss. Petra Wüllenweber gelingt es, die Realität nicht zu verharmlosen und trotzdem auch die schönen Momente festzuhalten, die Janek mit seinem Opa teilt. „Mit feinem Gespür beschreibt die Autorin die Entwicklungsstadien einer Alzheimer-Erkrankung, ohne die traurige Realität zu verharmlosen und die heiteren Momente zu vergessen.“ (Saarbrücker Zeitung, 26.05.09) „Ein Stück, das jede Altersgruppe anspricht – und je nach Blickwinkel unterschiedlich nachdenklich stimmt. Das liegt ohne Frage an dem gut gebauten Stück von Petra Wüllenweber, die klar und deutlich erzählt, rasch wechselnde Szenen aneinanderreiht, was für Rhythmus sorgt und wie ein Drehbuch die Vorlage liefert.“ (Heilbronner Stimme, 12.01.13)
„‘Lasso‘ erzählt eine Geschichte über beste Freunde, erstes zartes Verliebtsein und die Angst, den wichtigsten Menschen im Leben an andere zu verlieren: Die Cowboys Buck und Pillow kennen sich schon seit sie denken können und sind absolut unzertrennlich. Doch leider passiert in der Prärie sehr wenig und eines Tages hat Pillow die Nase voll – er will endlich unter Menschen. Also machen sich die beiden auf den Weg in die nächste Stadt. Dort ist Rose Sängerin in einem Saloon und ihre Freundin Lilly begleitet sie auf dem Klavier. Alle Männer schwärmen von Rose, doch sie träumt davon, in der weiten Welt Karriere zu machen. Als Pillow sie singen hört, verliebt er sich in sie und schlägt vor, mit ihm auf Reisen zu gehen. Werden die beiden ihre Freunde verlassen, um ohne sie ein neues Leben zu beginnen ...“ (Theater Münster)
In einem kleinen Häuschen an der Nordsee lebt eine alte Frau namens Stine. Wie ihre Nachbarn glauben, bewohnt sie die Hütte allein, doch Stine ist sich der Gesellschaft ihrer beiden Kindheitsfreunde Fiete und Gonne sicher. Aus diesem Grund hält das ganze Dorf sie für wahnsinnig und fürchtet sich vor ihr … „An einem klirrend kalten Wintertag geschah es nun, dass die Bucht binnen kurzem zufror. Sofort machte sich das ganze Dorf auf die Beine, um auf dem Eis ein Fest zu feiern – alle, bis auf Stine. Die beobachtete lieber das bunte Treiben. Plötzlich entdeckte sie eine kleine Wolke, die aufs Ufer zuschwebte, und erkannte blitzschnell die Bedeutung: Schon in weniger als einer halben Stunde würde ein schwerer Sturm landeinwärts fegen und das Eis aufbrechen lassen, alle Dorfbewohner*innen in den eisigen Fluten ertrinken. Fieberhaft überlegte Stine, wie sie die Feiernden noch rechtzeitig warnen könnte und riss kurzentschlossen ein brennendes Holzscheit aus den Flammen ihres Herdes … In seinem Auftragswerk für das Theater Osnabrück buchstabiert Jens Raschke […] nicht bloß die Geschichte einer selbstlosen Opferbereitschaft aus, sondern erzählt stattdessen auch von einer unsterblichen Freundschaft zwischen drei Kindern, und wie wichtig es manchmal ist, verzeihen zu können. Auch wenn es schwerfällt.“ (Theater Osnabrück)
Yahid und Liz scheint zunächst nicht viel zu verbinden. Er wird von seinen Mitschülern wegen seines Gewichts getriezt, sie ist taff und lehrt die anderen das Fürchten. Doch auch Liz hat ihr Päckchen zu tragen, denn daheim bei den sich ständig streitenden Eltern ist sie am liebsten so wenig wie möglich. Gemeinsam versuchen die Jugendlichen, mit Kampfsport dem Alltag zu entfliehen und dringend benötigtes Selbstvertrauen aufzubauen. Leider wartet auf beide nach anfänglichen Erfolgen ein böses Erwachen … „Ein Theaterdrama in fünf Spielrunden. Yahid ist durch Messerstiche verletzt worden. Liz ist in einem Boxkampf k. o. gegangen. Die beiden treffen sich in einer Welt zwischen Leben und Tod. Hier wird ihre Wirklichkeit sichtbar. Beide haben ein schweres Leben. Yahid hat Probleme mit dem großen Kontrast zwischen zu Hause und der Schule und er versucht, die beiden Welten zusammen zu bringen. Liz hat es zu Hause und in ihrem Sportklub nicht einfach. Hier wie da wird sie schlecht behandelt und unter Druck gesetzt, und sie versucht, sich durchzukämpfen. Ein Theaterstück wie ein Boxkampf, mit einem Schiedsrichter, der mithilfe von Schlagertexten Themen zur Sprache bringt, in denen viele Jugendliche sich spiegeln können. Man kann Yahid und Liz nur lieben. Auch wenn sich eine Fülle von Themen zwischen ihnen anhäuft, ist der Text doch so zwingend, erfrischend und aktuell, dass die Jury dem Autor das nur vergeben kann.“ (https://www.kaasundkappes.de/knockout)
Eines Morgens wird er wach und alles ist weg. Nur seine Krone ist ihm geblieben, weil er abends beim Zubettgehen vergessen hatte sie abzusetzen. Und weil es ein schöner Tag ist, zieht er los mit dem Wind. Er zieht los durch die Welt und macht sich auf die Suche nach seinem Reich. Oder auf die Suche nach seinem Lied. Oder beides. Denn: Wo sein Lied ist, ist bestimmt auch sein Reich. Auf seinem langen Weg durch den Tag und ein wenig durch sein Leben macht er so manch erstaunliche Begegnung mit Tieren und mit Menschen, mit Wesen und Dingen, mit der Natur und mit der Welt und - wer weiß - vielleicht auch ein wenig mit sich selbst. "Das Stück erzählt die Geschichte von einem König auf der Suche nach seinem Reich, dem, wie er denkt, wesentlichsten Bestandteil seiner Existenz. Denn was ist schon ein König ohne Reich. Am Ende seines Weges findet er jedoch etwas ganz Anderes, viel Wichtigeres: Er findet zu den Menschen und zu sich selbst. Den 'König ohne Reich' hat Marcel Cremer in die Wege geleitet und lange Zeit begleitet. Nun bringen wir ihn zur Premiere für Marcel und für Sie, liebe Zuschauer. Leicht hat er es gewollt, sein Stück. Und beschwingt. Eine freudvolle Hymne an das Leben - geschrieben, gedichtet in Momenten der Krankheit. Einen kräftigen Appell an den Mut - gegen die Mutlosigkeit. Sich zu trauen, neue Wege zu beschreiten. Dem Unbekannten furchtlos entgegenzutreten. Einen eindringlichen Aufruf, jeden Tag seines Lebens neu zu gestalten. Sich die Welt neu zu erschließen. Hoffnungsvoll nach vorne zu schauen. 'Das Leben, ein langer Tag', sagte meine Großmutter im hohen Alter. Ein Tag voller Begegnungen und Überraschungen. Ein Tag auf dem Weg zu sich selbst. Marcel hat den vorletzten Tag seines Lebens der Kunst und dem 'König ohne Reich', seinem Stück, gewidmet. Wir widmen es nun ihm - mit 'einem lachenden und einem weinenden Auge'. Danke, Marcel! Danke für alles!" (Fatma Girretz, www.agora-theater.net) "Kreativ, anmutig, lustig, anders, ironisch, fesselnd, musikalisch, verrückt, bunt und noch viele andere Worte schießen einem durch den Kopf, wenn man versucht dieses Stück zu beschreiben. In einem Märchenzelt erzählen drei Frauen und vier Männer mit ihrer intensiven und mitreißenden Spielweise eine wunderbare Geschichte voller bunter Bilder. Dabei benutzen sie einfachste Mittel, um eine phantastische Welt voller phantastischer Wesen zu erschaffen. Ein essentieller Teil der Inszenierung ist der Einsatz der Live-Musik, so werden virtuos Klangwelten und Atmosphären erzeugt, die die Orte kunstvoll vollenden. Dem Ensemble gelang eine Inszenierung, die jede Altersklasse anspricht und die Herzen aller Zuschauer zu berühren vermag." (Begründung der Jury, Marburg, 02.04.11)